Digitalisierung der
Corporate Governance
Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und Geschäftsmodellen ist einer der maßgeblichen aktuellen Trends und führt zu erheblichen Effizienzgewinnen in wirtschaftlichen Abläufen und auch zur disruptiven Ablösung bisheriger Geschäftsmodelle aufgrund neuer Möglichkeiten. Der Forschungsbereich „Digitalisierung der Corporate Governance“ beschäftigt sich damit, wie die Digitalisierung auf die Corporate Governance wirkt oder wirken kann.
Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, diesen Prozess der Digitalisierung dieser Anwendungsdomäne nicht nur zu beobachten und zu analysieren, sondern im Sinne einer gestaltungsorientierten Wirtschaftsinformatik mit zu prägen. Dabei geht es stets auch immer um eine Erprobung neu entwickelter Verfahren in der Praxis, um einen synergetischen Transfer in die Wirtschaft zu bewerkstelligen. Der Forschungsbereich ist ebenfalls bestrebt, Hochschulausgründungen anzuregen und voranzutreiben.
Einzelne Forschungsprojekte des Forschungsbereichs „Digitalisierung der Corporate Governance“ werden im Folgenden vorgestellt.
Audit Monitor
Der Audit Monitor ist eine seit 2014 jährlich durchgeführte Branchenstudie des Marktes für Abschlussprüfungen. In der aktuellen Studie für das Geschäftsjahr 2015 wurden insgesamt 314 börsennotierte Gesellschaften daraufhin untersucht, welche Abschlussprüfer verpflichtet und welche Honorare dafür gezahlt wurden. Dabei ist festzustellen, dass der Markt für Wirtschaftsprüfungsleistungen sowohl bezüglich der Mandatsverteilung als auch der generierten Honorare von den drei großen Gesellschaften EY, KPMG und PwC dominiert wird, auf die 94% der Honorarumsätze und 60% der Mandate entfallen.
Rund 64 % der Gesamthonorare entfallen auf Mandate aus dem DAX30. Unterhalb dieses Indizes werden auch große mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt.
Die Unternehmensgröße, häufig abgebildet über die Bilanzsumme oder die Umsatzerlöse eines Unternehmens, beeinflusst das Prüfungshonorar signifikant. Der Quotient aus Abschlussprüfungshonorar und Bilanzsumme kann – bspw. in Honorarverhandlungen – als Vergleichsgröße und Benchmark dienen.
Für 18 der betrachteten Unternehmen ist im Jahr 2016 ein Prüferwechsel zu beobachten. Die Anzahl von Prüferwechseln stagniert demnach trotz EU-Reform zur Abschlussprüfung, die u. a. einen Pflicht-Wechsel der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bei der Prüfung von Unternehmen im öffentlichen Interesse nach § 319a HBG vorschreibt, auch im Jahr 2016 auf einem vergleichsweise geringen Niveau.
Den Link zur Studie finden Sie hier: auditmonitor.de
Literatur:
Schichold, B., Ratzinger-Sakel, N., Gehrke, N. (Hrsg.): Audit Monitor – Studie der Abschlussprüfung in Deutschland - Prüfungsmandate, Leistungen und Honorare der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in deutschen Unternehmen Geschäftsjahr 2015, 2016, 3. Auflage.
Digitalisierung von Prüfungsprozessen
Das Thema Compliance nimmt in Unternehmen einen immer größeren Raum ein. Um die Arbeit von Revisoren zu unterstützen, kommen dabei zunehmend modernste Datenanalyse-Tools wie z. B, zapliance zum Einsatz.
zapliance steht für die automatisierte Prüfung von tatsächlichen SAP-Geschäftsvorfällen, die sich mit den Schlagworten "Process", "Audit" und "Mining" beschreiben lässt. "Process" steht dabei für eine streng prozessorientierte Vorgehensweise. Startpunkt der Prozessrekonstruktion sind die Buchungen im SAP-System. Ein entsprechender Algorithmus rekonstruiert alle Prozesse, die zu einer Buchung im SAP-System geführt haben.
Im SAP-System müssen die Prozesse durch Rekonstruktion von Belegflüssen jedoch erst ermittelt werden. Dieser Vorgang wird als "Mining" bezeichnet (auch: Process Mining) – zapliance gewinnt die Prozesse gewissermaßen durch "Filtern und Sieben" aus den Datenbanktabellen in SAP.
"Audit" steht für die anschließende Überprüfung der ermittelten Prozesse in SAP. Hierfür gibt es in zapliance mehr als 130 Indikatoren, die jeden einzelnen Prozess prüfen. Ein Indikator ist dabei ein Hinweis auf eine Schwäche, z. B. "Ein Administrator hat gebucht" oder "Gefahr einer Doppelzahlung".
Mit zapliance ist der Revisor um ein Vielfaches schneller am Ziel, da er direkt auf die wesentlichen Schwächen hingewiesen wird. Er kann sich voll auf die Kommunikation mit der Fachabteilung und die Würdigung der Revisionsergebnisse konzentrieren.
Die zapliance GmbH ist eine Hochschulausgründung und basiert auf Erkenntnissen von vorausgegangenen Forschungstätigkeiten, u. a. aus dem BMBF geförderten Projekt www.virtualaccountingworlds.com .
Im Rahmen der Forschungsaktivitäten und Ausgründungsaktivitäten führt die Hochschule gern Praxisprojekte mit Revisoren zum Thema Daten- und Prozessanalyse für Innenrevisionen oder Wirtschaftsprüfer durch. Sprechen Sie uns an.
Literatur:
Gehrke, N.: Indikatoren basierte Audits – ein stringenter Ansatz zur Prüfung von Geschäftsprozessen. In: NORDBLICK (Forschungszeitschrift der NORDAKADEMIE), 1/2016, S. 30-44
Gehrke, N., Müller-Wickop, N.: "Basic Principles of Financial Process Mining", in: Proceedings of the 16th Americas Conference on Information Systems, Lima, Peru, 2010
Leitlinien für Geschäftsprozesse in Aufsichtsgremien (DIN SPEC 33456)
Viele Unternehmen sind aufgrund ihrer Rechtsform oder Größe gesetzlich zur Einrichtung von Aufsichtsgremien verpflichtet. Aufgrund der mit der Aufsichtsratstätigkeit verbundenen Haftungsrisiken besteht auch im Mittelstand ein Bedarf an Leitlinien zur revisionssicheren Bearbeitung der Aufgaben eines Aufsichtsrats. In kapitalmarktorientierten Aktien-gesellschaften muss zudem mindestens ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied mit Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung in den Aufsichtsrat berufen werden.
Um vor diesem Hintergrund die Effektivität und Effizienz der Überwachungsarbeit zu gewährleisten, bietet sich eine Definition und Standardisierung der wesentlichen Geschäftsprozesse von Aufsichtsgremien an. Ein Referenzmodell, welches individuell anpassbare Leitlinien für die Überwachungstätigkeiten beinhaltet, liegt mit der im Dezember 2015 veröffentlichten DIN SPEC 33456 vor.
Eine DIN SPEC nach dem sogenannten PAS-Verfahren ist eine öffentlich verfügbare Spezifikation, die Systeme und Prozesse beschreibt, indem sie deren Merkmale und Anforderungen festlegt.
Für die DIN SPEC 33456 wurden die Tätigkeiten des Aufsichtsrats in Prozesse und dazu gehörige Subprozesse unterteilt. Für jeden Subprozess werden die Ereignisse festgehalten, die den (Sub-)Prozess auslösen, die notwendigen und optionalen Aktivitäten sowie die erforderlichen Dokumente.
Die Leitlinien können freiwillig angewendet werden und tragen zu einer höheren Professionalisierung und besseren Überprüfbarkeit der Arbeit von Aufsichtsgremien bei. Sie führen ferner zu einer erhöhten Transparenz für die Anteilseigner, die interessierte Öffentlichkeit und die sonstigen Stakeholder und reduzieren damit eine bestehende Erwartungslücke. Es bietet sich an, die Anwendung der Leitlinien in der Geschäftsordnung des Überwachungsorgans festzuschreiben. Gleichwohl dürfte die Anwendung der Leitlinien nicht bei allen Akteuren auf Akzeptanz stoßen.
In Bezug auf die entstandenen Leitlinien für Aufsichtsräte führt die Hochschule gern professionelle Trainings oder Coachings für Aufsichtsräte oder im Rahmen einer Vorbereitung auf ein Aufsichtsratsmandat durch. Sprechen Sie uns an.
Literatur:
Gehrke, N., Schichold, B., Kuhnert, B. (2016): Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit durch Leitlinien für Geschäftsprozesse in Aufsichtsgremien. In: Zeitschrift für Corporate Governance, 11. Jg. 2016, S. 32-36
Gehrke, N., Schichold, B. (2013): DIN-Leitlinien für Geschäftsprozesse in Aufsichtsgremien. In: Der Aufsichtsrat 11/2013, S. 158-159