16.10.2024 Hochschule Sonstiges

Ausbildung in der mobilen Robotik

Nach einer Studie der Statista Market Insights* hat sich der Umsatz des globalen Robotikmarktes zwischen den Jahren 2016 und 2024 von 25 Mrd. US$ auf 46 Mrd. US$ fast verdoppelt. Insbesondere der Markt der Serviceroboter sei im Vergleich zu den Industrierobotern stark gewachsen, was auf den breiteren Einsatz von Servicerobotern bspw. in den Bereichen Landwirtschaft, Logistik und Medizin zurückzuführen ist. Dabei können Roboter unterschiedliche Formen annehmen. Von großen Montagerobotern in Fabrikhallen über kleine Staubsauger- oder Mähroboter in Privathaushalten hin zu medizinischen Robotern bieten Roboter vielfältige Einsatzmöglichkeiten.

 

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Um als Unternehmen frühzeitig von den Vorteilen der Robotik in der Automation profitieren zu können, ist eine verstärkte Einbindung von Robotikthemen in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter erforderlich. An der NORDAKADEMIE werden Studierende insbesondere im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen bereits seit Längerem an Industrierobotern ausgebildet, so dass es für sie möglich ist, deren Einsatz adäquat in industriellen Prozessen zu berücksichtigen.

 

Um Unternehmen auch dabei zu unterstützen, ggf. weitere Kompetenzen im Bereich der Serviceroboter aufbauen zu können, wurde im aktuellen Sommersemester das Wahlpflichtmodul “Grundlagen der mobilen Robotik” von Prof. Dr. Sebastian Zug in den Katalog der Wahlpflichtmodule für alle technischen Bachelorstudiengänge aufgenommen. Professor Zug ist Inhaber des Lehrstuhls für Softwaretechnologie und Robotik der TU Bergakademie Freiberg und beschäftigt sich u. a. mit dem Einsatz von autonomen Robotiksystemen in schwer zugänglichen Gebieten.


Im Rahmen des Moduls wurden den Studierenden Grundlagen des Robotik-Frameworks ROS vermittelt, eines der Standardwerkzeuge für die Steuerung von Robotern. Die Ausbildung wurde im Rahmen des Verbund-Forschungsprojekts CrossLab zu einem großen Teil remote durchgeführt, um zu untersuchen, wie eine standortübergreifende Laborlehre funktionieren kann.


In einem Entwicklungsprojekt in Kleingruppen war es Ziel, Turtlebots so zu programmieren, so dass sie autonom in der Lage waren, eine nachempfundene Straßensituation zu bewältigen. Die Roboter sollten in der Lage sein, der Spur einer Straße korrekt zu folgen, auf eine Ampel zu reagieren und ggf. auftretenden Hindernissen auszuweichen. Dies gelang sehr erfolgreich und mit einigem Spaß.


Das Forschungsprojekt CrossLab wird gefördert von der Stiftung "Innovation in der Hochschullehre”.  

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Interview mit Prof. Dr. Sebastian Zug:

 

Prof. Zug, Sie bieten an der NORDAKADEMIE ein Wahlpflichtmodul zum Thema „Mobile Robotik“ an. Bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor. 

Ich bin seit 6 Jahren Professor für Softwareentwicklung und Robotik an der TU Bergakademie Freiberg in Sachsen. Dabei arbeiten wir zum einen an technischen Forschungsfragen, rund um die Modellierung von Umgebungsmerkmalen und deren Kartierung für Outdoorroboter und zum anderen im Bereich der Lehre mit der Entwicklung von digitalen Lehr-Lern-Formaten. Hierfür entstand mit LiaScript eine Beschreibungssprache für frei teilbare, interaktive Lehrmaterialien. Das Konzept wird gegenwärtig mit dem CrossLab Projekt, in dem Kolleginnen und Kollegen der NORDAKADEMIE Forschungspartner sind, auf Remote-Labore ausgedehnt. Die Idee ist dabei, dass Studierende jederzeit auf experimentelle Infrastrukturen und Aufgaben zurückgreifen können und der Lernprozess so, im Unterschied zur Simulation, unter realen Bedingungen stattfindet. Mit dem Verständnis, digitale Labore zwischen Hochschulen zu teilen, hebt das CrossLab-Projekt die internetbasierten Ansätze auf ein neues Level.  

 

Ihr Wahlpflichtmodul hat ein besonderes Remote-Format: Sie sind an Ihrer Hochschule der TU Freiberg vor Ort und die Studierenden in Elmshorn arbeiten u.a. mit Robotern, die in Freiberg stehen. Wie funktioniert das? Welche technischen Voraussetzungen sind erforderlich? 

Bedingt durch die räumliche Entfernung zwischen Elmshorn und der Heimatuniversität ist eine klassische Präsenzveranstaltung nicht möglich. Entsprechend haben wir uns dafür entschieden, neben der ersten und der letzten Veranstaltung, zu der wir nach Elmshorn kommen, die Begleitung online durchzuführen. Die Studierenden sind im Labor, hören die Vorlesung als Videokonferenz und werden auch in den Programmieraufgaben online begleitet. Begleitend können sich die Studierenden natürlich auch an das Team der Technischen Informatik vor Ort wenden, wenn Fragen auftreten. 

 

Die Studierenden sollen in der Veranstaltung die Arbeit mit dem Robot Operating System (ROS) kennenlernen. Können Sie die Vorteile dieses Betriebssystems kurz erklären? 

Der Name Robot Operating System wurde sicher aus Marketinggründen gewählt, weist aber in eine falsche Richtung. Technisch betrachtet handelt es sich nicht um ein Betriebssystem, sondern eine Sammlung von Komponenten, die für die Umsetzung von robotischen Anwendungen genutzt werden können. Das Framework ROS hält dafür Implementierung für die Kommunikation, Navigation, Interaktion usw. bereit. Dabei arbeiten Teams aus der ganzen Welt daran mit, diese permanent zu verbessern und zu erweitern. Entsprechend hat sich ROS, insbesondere mit dem letzten Versionssprung, zu einem Standardentwicklungswerkzeug für verschiedenste Robotikapplikationen entwickelt, das in vielen Branchen und Lösungen zum Einsatz kommt. 

 

Im Wahlpflichtmodul arbeiten die Studierenden mit sogenannten TurtleBots, die sie programmieren. Was genau lernen die Studierenden dabei? 

Die TurtleBots sind Roboter von einer Größe von 15x15x15cm die unter anderem mit einer Kamera und einem Laserscanner ausgestattet sind. Daran lassen sich viele Basisprobleme und Lösungsansätze demonstrieren und erklären. Das dies, wie in unserem Fall für einen „künstlichen“ Miniaturstraßenverkehr, mit aufgeklebten Spuren, Ampeln und Parksituationen passiert, lässt die Studierenden in die Rolle von Entwicklerinnen und Entwicklern des autonomen Fahrens schlüpfen und motiviert zusätzlich. Da die Arbeit im Team erfolgt, vertiefen die Studierenden praktische Erfahrungen bei der Umsetzung von kooperativen Softwareentwicklungsprozessen. 

 

Mobile Robotik wird eine immer wichtigere Rolle in der Automatisierung von industriellen Arbeitsprozessen, aber auch in der Forschung spielen? Wo sehen Sie aktuell das größte Anwendungspotential? 

Ein wichtiger Schritt hat sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen – die bis dahin vollzogene räumliche Trennung zwischen Menschen und Robotern löst sich auf und Menschen interagieren mit den technischen Systemen unmittelbar. Damit eröffnen sich viele Möglichkeiten, die eine feine Abstimmung zwischen den Aufgaben des Roboters und den Verantwortlichkeiten des mitarbeitenden Kollegen ermöglichen. Mit einer robusten, anwendungsspezifischen Mensch-Maschine-Interaktion können die Kooperationsszenarien auf viele Anwendungsfälle ausgerollt werden. 

 

Sie persönlich forschen im Bereich der Schwimmroboter und haben ein spannendes Projekt am Amazonas, bei denen Schwimmroboter eingesetzt werden. Worum geht es bei diesem Projekt? 

Die Datenerhebung im Bereich der Geoökologie, die für die Beschreibung der Veränderungen des Klimas notwendig ist, basiert in wichtigen Teilen noch immer auf manuellen Prozessen. Die Forschenden befahren Gewässer aufwändig mit dem Boot, nehmen Wasserproben und erfassen bestimmte Parameter mit Messsonden. Unser Schwimmroboter automatisiert diese Abläufe vollständig und kann daher zum Beispiel auch nachts in tropischen Gewässern operieren. Damit haben wir gemeinsam mit den Fachexperten der Bergakademie und aus den USA erstmalig Tag-Nacht-Messungen zur Ausgasung in tropischen Seen umsetzen können. Diese Informationen können nun auf die Gesamtwasserfläche der Region hochgerechnet und in Klimaprognosen berücksichtigt werden. 

 

Welche Anwendungsgebiete sehen Sie für die mobile Robotik in den nächsten 5-10 Jahren? Wird die mobile Robotik die Welt revolutionieren? 

Ich erwarte, dass wir in der nächsten Dekade eine Vielzahl von kleinen autonomen Systemen auf unseren Fuß- und Radwegen sehen werden, die Liefer-, Begleit- und Wartungsfunktionen übernehmen. Das Betätigungs- und Karrierefeld von Studierenden in diesem Bereich wächst damit weiter an. 

 

Vielen Dank für das Interview. 

 

 

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* Sandra Markovic: Robotics: market data & analysis. Market Insights by statista. August 2024

 

Ein Beitrag von Daniel Versick, Louis Kobras, Gero Licht, Marcus Soll, Sebastian Zug.