Die Etablierung einer Marke ist in B2C-Märkten gängige Praxis und ein seit langem an-erkannter Treiber des Unternehmenserfolges. Marken subsummieren das Nutzenversprechen an den Kunden und übernehmen eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion am Markt (vgl. Meffert, Burmann & Kirchgeorg, 2015). Idealerweise prägen sie so das Wahlverhalten von Konsumenten und damit schließlich den finanziellen Unternehmenserfolg. Über lange Zeit hat man in B2B-Märkten nicht an diese Erfolgswirkung von Marken geglaubt und sich auf Produktqualität oder bessere Technologie als Differenzierungsmerkmale gegenüber dem Wettbewerb und Nutzenversprechen beschränkt.
Inzwischen ist das Markenmanagement aber in vielen großen B2B-Unternehmen angekommen und Branding auch im B2B-Bereich einer der aktuellen Trends. B2B-Unternehmen, die hier in der Vergangenheit sehr aktiv und erfolgreich waren sind z.B. BASF, Siemens, Bayer, MAN, Linde oder auch Werkzeughersteller Bosch. So errechnete Inter-brand für die Firma BASF (auf Platz 7 des Rankings in 2015) einen ökonomischen Markenwert von über 7 Milliarden Euro oder für die Firma Bosch (auf Platz 14 des Rankings) einen Markenwert von über 3 Milliarden Euro (Ranking und Werte abrufbar unter www.bestgermanbrands.com, vgl. auch die Kommentierung der Best German Brands 2015, abrufbar unter: www.absatzwirtschaft.de). Die erfolgreichen Firmen haben sehr deutlich in das Markenmanagement investiert, neue Positionierungen nach Außen entwickelt und kommuniziert (z.B. BASF mit dem neuen Claim „We create chemistry“) so-wie sich im Bereich des Employer Branding (z.B. Bayer) aktiv gezeigt. Das erklärte Ziel der Unternehmen ist dabei, in weltweit hart umkämpften B2B-Märkten, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
Insgesamt stellen sich diese Erfolge auch ein und sind statistisch nachweisbar. Studien zeigen, dass erfolgreiche B2B Unternehmen, anders als weniger erfolgreiche Wettbewerber, ihr Marketingbudget verstärkt in den Bereichen Branding (11% versus 7% des Budgets) und Kundenbeziehungsmanagement (13% versus 10%) einsetzen und weniger stark auf kurzfristige Verkaufsförderungsmaßnahmen setzen (46% versus 54 %) (vgl. Jeffery, 2010).
Dieses Erfolgsrezept ist im Mittelstand angekommen: Das Hamburger Familienunternehmen Holger Clasen, das seit mehr als 50 Jahren industrielle Werkzeuglösungen in den Sparten Druckluft, Hydraulik und Elektrotechnik entwickelt und vertreibt ist daher verstärkt in das eigene Markenmanagement eingestiegen. Im Rahmen eines Projektes hat die Nordakademie Graduate School im Winter 2015/2016 diesen Prozess begleitet. Die dabei identifizierten Handlungsfelder und Lösungskonzepte werden im Folgenden diskutiert und Handlungsempfehlungen zur Vorgehensweise für klein- und mittelständische Unternehmen abgeleitet.
Der erste Schritt zur Etablierung einer Marke ist der Aufbau einer Markenpositionierung. Hierzu bietet das Konzept der identitätsbasierten Markenführung einen guten Handlungsrahmen.
Die Wirkung einer Marke basiert zum einen auf der Markenidentität, d.h. auf dem eigenen Selbstbild des Unternehmens (Unternehmensleitung und Mitarbeiter). Zum anderen wird die Wirkung durch das Markenimage, d.h. das Fremdbild der externen Zielgruppe geprägt. Das Grundmodell der identitätsbasierten Markenführung nach Meffert und Burmann (1996) stellt die zwei Perspektiven gegenüber und ist der Ausgangspunkt zur Definition einer Positionierung und Etablierung der Marke Holger Clasen nach Innen und Außen (siehe Abbildung 1).
Die Markenidentität bildet ein kollektives Selbstbild der internen Zielgruppe ab. Es basiert zunächst auf den vergangenheitsgeprägten Faktoren Herkunft, Wertvorstellungen und Kompetenzen. Bei Holger Clasen ergibt sich die Herkunft als Antwort auf die Frage ‚Wo kommen wir her?‘ wie folgt: Familienunternehmen, Tradition, Qualitätsanbieter und regionaler Bezug. Die Wertvorstellungen der Firma sind Offenheit, Vertrauen, Respekt, Fairness und Teamgeist. Das langjährige technische Know-how und die Fähigkeit schnell und flexibel zu agieren sind klare Kernkompetenzen von Holger Clasen. Des Weiteren basiert die Markenidentität aber auch auf der zukunftsgerichteten Vision und Unternehmensstrategie. Zur Erweiterung der eigenen Geschäftsfelder (die Vision der Unternehmensleitung) soll ein hoher Innovationsgrad, eine hohe Kundenbindung und eine hohe interne Effizienz strategisch erreicht werden. Eine zu formulierende Markenpositionierung muss in dieser Identität des Unternehmens verankert werden und bildet die SOLL-Identität ab.
Die Markenidentität steht in Wechselwirkung mit dem Markenimage. Das Ziel einer starken Marke ist es, dass die Identität und das Image mittel- bis langfristig ähnlich bzw. identisch sind. D.h. dass der Kunde genau die Vorstellung der Marke im Kopf etabliert, die das Unternehmen intendiert hat. Jede Abweichung (sogenannter Gap) birgt die Gefahr einer Verunsicherung der Zielgruppe und damit einer Erfolgseinbuße in puncto Markenvertrauen und Präferenzbildung. Um eine enge Marke-Kunden-Beziehung auf-zubauen, ist es demnach notwendig, dass sich die Markenerwartung und das -erlebnis der externen Sichtweise mit dem Markenversprechen und -verhalten decken. Daher er-scheint die Formulierung eines SOLL-Fremdbildes sinnvoll, welches auf funktionale und symbolische Nutzenassoziationen abstellt. Die funktionalen Nutzenassoziationen sollten die Langlebigkeit, Leistungsfähigkeit und Benutzerfreundlichkeit der Produkte beherbergen. Der symbolische Nutzen der Marke sollte Tradition und Verlässlichkeit und da-mit eine Risikoreduktion beinhalten. Auf dieser Basis kann eine spezifische Markenpositionierung für Holger Clasen entwickelt werden.
Der Markenkern von Holger Clasen soll auf der Idee des Lösungsanbieters aufgebaut werden. Eine Strategie, die viele Dienstleister auch im B2C-Segmente bereits erfolgreich umgesetzt haben, denn das Angebot ganzheitlicher Lösungen kann über die reinen funktionalen Eigenschaften des Produktportfolios hinaus eine Differenzierung vom Wettbewerb ermöglich. Ferner kennzeichnet sich die entwickelte Markenpositionierung von Holger Clasen durch die Attribute (siehe Abbildung 2): Kunden- und Serviceorientierung, Partnerschaftlichkeit, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit (hochwertige und nachhaltige Produkte) sowie Innovation. Dies kann dann in ein Markenversprechen oder ein Positionierungsstatement überführt werden, welches immer auf das Branchen- und Wettbewerbsumfeld, das Kerndifferenzierungsmerkmal (Lösungsanbieter) und den oder die so-genannten Reason(s) to believe abstellt (zuverlässiger, kundenorientierter Partner, der leistungsfähige Produkte auf dem neuesten Stand der Technologie anbietet) (vgl. Moore & Helstein, 2009).
Holger Clasen nutzt aktuell eine klassische Dachmarkenstrategie, bei der sämtliche Leistungen und Produkte des Unternehmens unter einer Marke vertrieben werden. Der große Vorteil hierbei ist, dass das Unternehmen seiner gesamten (großen) Produktpalette ein klares Erscheinungsbild gibt und alle Produkte unter dieser Marke, von der etablierten Markenwirkung gleichermaßen profitieren. Die Verwendung einer Dach-marke schränkt aber anderseits auch die spezifische Positionierung von bestimmten Produkten in bestimmten Märkten ganz klar ein. Die Positionierung muss also für die gesamte Produktpalette passend sein: Hier ist die Fokussierung auf den Markenkern „Lösungsanbieter“ sinnvoll und gut auf alle Bereiche übertragbar. Unter dem Dach der Marke Holger Clasen können so neue Leistungen einfach eingeführt bzw. das Produktportfolio leicht verändert werden, ohne dass der Kern der Marke beeinflusst wird. Unternehmen, in denen unterschiedliche Produktlinien sehr stark in ihren Nutzenassoziationen abweichen, sollten über eine Einzelmarken- oder Hybridstrategie nachdenken.
Die neue Markenpositionierung muss sowohl nach Innen als auch nach außen kommuniziert werden. Bei der internen Kommunikation, ist es wichtig, dass die formulierten Markenattribute auch vom Unternehmen konsequent gelebt werden. Das aktuelle Negativbeispiel ist hier sicherlich Volkswagen, bei dem eine konsequente interne Umsetzung formulierter Markenwerte nach innen zumindest in Frage gestellt werden kann. Bei einer identitätsbasierten Ableitung der Positionierungsmerkmale sollte eine Umsetzung nach Innen allerdings leichter fallen und hängt hier am Geschick der Unternehmensleitung.
Nach außen gilt es eine integrierte, langfristige Kommunikationsstrategie aufzusetzen. Dabei ist die Schaffung eines einheitlichen Markenauftrittes über alle Medien (wie die Homepage, Broschüren oder Messeauftritte) essenziell. Dies bezieht sich zum einen auf die inhaltliche Kommunikation der formulierten Attribute, aber auch auf formale Gestaltungselemente, wie eine stringente Typografie, einheitliche Unternehmensfarben und Bildsprache. Da klein- und mittelständische Unternehmen oft kein großes Marketingbudget für die Kommunikationspolitik zur Verfügung haben, gilt es Optionen zu identifizieren, die auch finanziell realistisch und umsetzbar sind.
Für Holger Clasen können verschiedene erste Maßnahmen identifiziert werden. Beispielsweise könnte ein Sponsoring/Wissenschaftskooperationen umgesetzt werden, d.h. eine Unterstützung von Forschungsprojekten an Universitäten in den Bereichen Akkutechnologie, Automatisierung und 3D Druck (siehe Abbildung 3). Dies wäre ein Instrument, das die technische Innovationsfähigkeit der Produkte befördert und zudem mit-tel- bis langfristig auch imagewirksam auf dieser Facette sein sollte. Alternativ könnte die Entwicklung von Testimonials ein Ansatzpunkt sein: Mitarbeiter führender Unter-nehmen in den Kernbranchen von Holger Clasen erklären, wie die Werkzeuge der Marke Holger Clasen durch ihre Zuverlässigkeit und Hochwertigkeit den Arbeitsalltag erleichtern und/oder wie sie die Partnerschaft wahrgenommen haben. Dies kann heutzutage kosteneffizient über das Onlineumfeld abgebildet werden und ermöglicht eine sehr ziel-führende Kommunikation der relevanten Markenattribute.
Schließlich gilt es den Erfolg der strategischen Positionierung und Kommunikationsmaßnahmen durch ein Controlling zu überprüfen. Hierzu kann ein Marketing-Cockpit aufgebaut werden, welches überprüft, ob die strategischen Ziele durch den Einsatz der Marketing-Instrumente erreicht werden. Zudem liefert so ein Cockpit wichtige Informationen über neue Entwicklungen und damit über evtl. neue Herausforderungen oder Chancen. Die Schwierigkeit einer Erfolgsmessung im Marketing besteht oft darin, dass es einen nicht unerheblichen Timelag zwischen Marketingmaßnahme und hartem finanziellen Erfolg und oft starke Wechselwirkungen mit externen Faktoren geben kann. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn der Marketingerfolg – so wie gängige Praxis in vielen Unternehmen – an übergeordneten finanziellen Kennzahlen zum Umsatz und Gewinn festgemacht wird (vgl. Reinecke & Eberharter, 2010).
Um ein effektives Marketing-Cockpit aufzubauen, ist es daher ratsam die Messung einzelner Parameter direkt in den Kaufprozess zu integrieren (ein Beispiel zeigt Abbildung 4). So kann bspw. die Markenbekanntheit durch die Anzahl der an einem oder mehreren Produkten interessierten Personen approximiert werden (Aufmerksamkeit über alle Customer-Touch-Points bspw. Internetseiten- oder Messebesucher). Zudem ist die Orientierung auch an psychografischen Zielsetzungen notwendig. Hierzu bleibt der Einsatz von Marktforschungsinstrumenten allerdings nicht aus: Über Befragungen können Kundenzufriedenheitswerte sowie das wahrgenommene Image überprüft werden. Gemessene Abweichungen sollten analysiert werden, um daraus Lerneffekte zu generieren.
Genau das hat Holger Clasen umgesetzt: Eine Kundenbefragung hat dabei erstes Optimierungspotenzial aufgedeckt, indem hier eine Lücke zwischen der Markenidentität und dem -image festgestellt werden konnte. Diese gilt es nun zunächst zu schließen!
Die Marke und ihr damit verbundenes Image ist eines der wichtigsten Differenzierungsmerkmale für Qualitätsanbieter im B2B-Bereich. Ein integriertes, internes Markenmanagement bietet Unternehmen die Chance, durch ein klares Profil und Erscheinungsbild der Marke Differenzierungs- und Präferenzvorteile zu nutzen. Hierzu empfiehlt sich in kleinen- und mittelständischen Unternehmen der Ansatz der identitätsbasierten Markenführung, mit dem über die Analyse von Herkunft, Werten, Kernkompetenzen, Visionen und intendierten Nutzenassoziationen eine Markenpositionierung erarbeitet wer-den kann. Eine solche Markenpositionierung ist nur dann ein sinnvolles Instrument, wenn Sie auch nach innen und außen kommuniziert und gelebt wird – dieser zweite Schritt muss also schon von vornherein mit eingeplant werden. Wenngleich in vielen Unternehmen das Marketingcontrolling immer noch ein vernachlässigter Bereich ist, ist auch dieser letzte Schritt von hoher Relevanz – nur so kann der Erfolg der anvisierten Positionierung kontrolliert und schließlich verbessert werden.
Jeffery, M. (2010). Data-Driven Marketing. New Jersey: Wiley
Meffert, H., Burmann, Ch., & Kirchgeorg, M. (2015). Marketing: Grundlagen marktorientierter Unernehmensführung. Wiesbaden: SpringerGabler.
Meffert, H., Burmann,Ch. (1996). Identitätsorientierte Markenführung: Grundlagen für das Management von Markenportfolios. Münster: Wiss. Ges. für Marketing und Unternehmensführung.
Moore, M. C., & Helstein, R. L. (2009). Positioning. In U. o. Virginia (Ed.): 1-10: University of Virginia.
Reinecke, S., & Eberharter, J. (2010). Marketingcontrolling 2010: Einsatz von Methoden und Verfahren des Marketingcontrollings in der Praxis. Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung, 22(8/9): 438-447.