Verschärfter Städtewettbewerb im Kreativ- und Marketinggeschäft
Hamburg ist nicht nur einer der wichtigsten Industriestandorte in Deutschland, sondern beherbergt auch eine Vielzahl von Dienstleistern, insbesondere im Marketing- und Medienbereich. Die Stadt gilt seit vielen Jahrzehnten als Hochburg der Werbung, was auch durch die entsprechenden Firmensitze bekannter Kreativagenturen, wie achtung!, Jung von Matt und Thjnk so-wie einiger großer marken- sowie marketingorientierter Unternehmen, wie z.B. Beiersdorf, Philips und amplifon mitgeprägt wird. So betitelte das Hamburger Abendblatt, anlässlich des Art Directors Club Festivals im Jahre 2015, Hamburg als „Hauptstadt der Kreativen“. Die Stadt ist sowohl gemessen am Gesamtumsatz der Kreativwirtschaft, als auch in der Anzahl der Erwerbstätigen in dieser Branche in Deutschland führend. In den letzten Jahren muss sich Hamburg aber verstärkt in einem Wettstreit mit anderen internationalen, aber auch deutschen Standorten behaupten – allen voran Berlin.
Zu den größten Herausforderungen für Hamburg gehören, neben der Steigerung des Bekanntheitsgrads und der zukünftigen Behauptung im Marketingsektor, auch die Rekrutierung von qualifizierten Nachwuchskräften. Die Frage, die sich die Verantwortlichen des Stadtmarketings und der marken- sowie marketingorientierten Unternehmen somit stellen, ist, was eine Stadt als Marketing- oder Werbestandort im nationalen oder europäischen Umfeld attraktiv macht. Genau dieser Frage sind wir in Kooperation mit dem Marketing Club Hamburg und der Ipsos GmbH nachgegangen.
Ergebnisse einer Befragung unter Marketingexperten
Nordakademie-Masterstudierende haben im Sommer 2015 eine qualitative Erhebung unter Experten in Unternehmen mit Marketingbezug (Unternehmen mit einer starken Marke oder mit einer vorrangingen Orientierung des Unternehmens am Marketing) durchgeführt. Die Stich-probe umfasste dabei sowohl Unternehmen mit einer langen Historie am Standort Hamburg (z.B. Philips Deutschland GmbH und Carl Kühne KG) als auch Unternehmen, die sich erst vor kurzer Zeit für den Aufbau eines Standortes in Hamburg entschieden haben (z.B. Amplifon Deutschland GmbH). 13 Experten mit entsprechender marketingbezogener Leitungs- und Schnittstellenfunktion haben hier im Rahmen eines qualitativen Interviews Rede und Antwort zu den relevanten Standortfaktoren gestanden, die Hamburg - als auch zukünftige Hochburg der Kreativen und Hauptstadt für den Bereich Marketing und Medien - heutzutage mitbringen muss.
Hamburg als Marketingstandort? - „Ja, oder Berlin?“
Die Antworten auf die Frage, ob die Unternehmen die Entscheidung für Hamburg als Marketingstandort wieder treffen würden, offenbart den aufflammenden Städtewettbewerb: „Ja, oder Berlin?“, diese Aussage fasst die Positionen der Befragten gut zusammen. Während die Verbundenheit zum Gründungsstandort, insbesondere bei den Unternehmen mit gleichzeitigem Hamburger Produktionsstandort, ausgeprägt ist, zeigen die Dienstleistungsunternehmen hier eine offenere Haltung gegenüber anderen interessanten Standorten. Spontane Nennungen verweisen auf Berlin, München und Köln im nationalen Konkurrenzkampf, aber auch insbesondere auf London und Barcelona im europaweiten Städtewettbewerb. Zeit für das gesamte Branchenumfeld, bestehend aus Marketing Club, Handelskammer, Unternehmen mit Marketingbezug, Universitäten, aber auch Zeit für das Städtemarketing hier proaktiv tätig zu werden!
Handlungsempfehlungen für das Stadtmarketing
Was sind denn nun aus Sicht der Experten die ausschlaggebenden Standortfaktoren, die es zu stärken gilt? Neben einer guten Infrastruktur zur Anbindung der Stadt an das nationale und internationale Umfeld fokussieren sich die Befragten insbesondere auf folgende drei Bereiche: (1) Bildung und qualifizierte Arbeitskräfte, d.h. die Ausbildung von qualifiziertem Nachwuchs vor Ort. (2) Lebensqualität in der Stadt – ein typischer Rekrutierungs- und Haltefaktor für gute Arbeitskräfte. (3) Ein funktionierendes Branchen-Ecosystem, d.h. das Unternehmen der Branche vor Ort sind, damit Zusammenarbeit untereinander gefördert wird und damit aus dem System an Wechselbeziehungen zwischen allen beteiligten Partnern eine funktionierende und eine für alle nützliche Gemeinschaft entsteht. Diese drei Faktoren befruchten sich gegenseitig und stehen in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zueinander (siehe Abbildung 1).
Was verbirgt sich hinter diesen drei Standortfaktoren: In Bezug auf das Branchen-Ecosystem fallen Schlagworte wie Kundennähe, kritische Masse an Kunden, Nähe zu Agenturen und Dienstleistern der Branche. Ein Abwandern einzelner Unternehmen in andere Metropolen wird folglich den gesamten Standort schwächen, da gerade die Ansammlung branchengleicher Unternehmen einen wichtigen Bleibefaktor für Unternehmen darstellt. Gleichzeitig ist das Unternehmenspotenzial eines der wesentlichen Anziehungsfaktoren für junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte. Ein im Juli 2015 im Hamburger Abendblatt erschienener Artikel zu einer Studierendenbefragung zeigt, dass die meisten Universitätsabsolventen nach ihrem Abschluss in Hamburg arbeiten wollen; auf Platz zwei folgt München, dann erst Berlin. Einer der Hauptgründe für dieses Beliebtheitsranking ist eben gerade die Ansässigkeit vieler bedeuten-der Unternehmen in der Hamburger Metropolregion.
Die Rekrutierung von Nachwuchskräften und der Zugriff auf gut qualifiziertes Personal ist so-dann auch das wichtigste Thema für die befragten Experten. Lokale Bildungseinrichtungen mit den gefragten Studienrichtungen der Branche sowie eine stärkere Vernetzung unter und mit den Universitäten werden von vielen der Experten eingefordert. In diesem Zusammenhang wird seitens der Marketingentscheider empfohlen, an den Universitäten internationale Programme zu entwickeln und den internationalen Austausch stärker zu fördern, mit dem Ziel hochqualifizierte Arbeitskräfte auszubilden und diese langfristig an den Standort zu binden. Ein Blick in das Bildungsangebot der Stadt offenbart eine bereits gut aufgestellte Bildungslandschaft: Die Stadt bietet aktuell über 13 Bachelor- und 11 Masterstudiengänge mit einer Spezialisierung auf den Bereich Marketing an. Woran es allerdings noch zu mangeln scheint, ist die Vermarktung dieses Bildungsangebotes innerhalb der und über die Landes- und Bundesgrenzen hinweg.
Denn, trotz dieses großen Angebotes, können die meisten befragten Experten zum Bildungsangebot für marketingrelevante Disziplinen in Hamburg keine aussagekräftigen Antworten geben. Laut den Befragten gäbe es derzeit noch keine renommierte Universität mit Marketingschwerpunkt oder eine Universität mit Leuchtturmcharakter im Marketing. Jedoch ist den Be-fragten aber auch in anderen deutschen Städten und internationalen Metropolen keine renommierte Universität mit der Spezialisierung auf Marketing bekannt. Dies scheint eher ein kommunikatives Problem zu sein, denn die Hamburger Bildungseinrichtungen bringen viele renommierte Forscher und talentierte Absolventen hervor, so dass generell das Arbeitskräftepotenzial in Hamburg, bzw. in der gesamten Metropolregion Hamburg, gut abgedeckt wird. Wenn hier eine frühe Bindung an den Standort gelingt, hat das eine nachhaltige Wirkung, denn: Die Entscheidung für ein Studium in einer Stadt hat eine prägende und nachhaltig bindende Wirkung auch für den Einstieg ins Berufsleben. Ein stärkerer Wissenstransfer von Universitäten in die Praxis bzw. an die interessierte Öffentlichkeit wäre sicherlich auch ein Instrument der Wahl, um die Bekanntheit des Bildungsangebotes auszubauen. Dies könnte zudem auch dem Wunsch nach bekannten Professoren, Doktoren und Dozenten, die mit der Stadt Hamburg in Verbindung gebracht werden, nachkommen. Schließlich ist die Kooperation zwischen Hoch-schulen und Unternehmen ein vernachlässigter Bereich – ein Aspekt, dem sich insbesondere die Nordakademie mit ihren dualen und berufsbegleitenden Studiengängen angenommen hat. Hier sind die Politik und ein gutes Stadtmarketing gefragt, den Bildungsstandort auszubauen und vor allem das vorhandene hochwertige Bildungsangebot gemeinsam mit den Hochschulen besser zu vermarkten.
Ferner geht es um die Stärkung der allgemeinen Lebensqualität in der Stadt. Aus Marketingsicht geht es hier um den Ausbau des guten Kulturangebotes der Stadt aber vor allem auch um die Erweiterung und Stärkung von Events mit Marketingbezug. Man denke an die nach Hamburg zurück gekehrte Digitalkonferenz NEXT und andere bekannte Veranstaltungen, wie das Reeperbahnfestival und Veranstaltungen des Art Directors Club. All das ist sicherlich auf vielen Ebenen, z.B. zwischen Hochschulen und Praxis sowie zwischen verschiedenen Partnern des Ecosystems, ausbaufähig. Hier sind auch entsprechende Verbände, wie der Marketing-Club Hamburg gefordert. Nach Einschätzung eines Marketingexperten steht Hamburg „für eine gewisse Zurückhaltung und Noblesse – nicht für Schnelligkeit und Neuigkeit oder das, was die Welt bewegt.“ Vielleicht ist es an der Zeit, diese Zurückhaltung ein Stück weit aufzugeben?
Fazit
Die Wunschliste der Experten ist vielfältig und kann wie folgt zusammengefasst werden. Von der Politik wünscht man sich ein offenes Ohr für die Belange der Unternehmen der Branche mit der entsprechenden Rückendeckung wenn es um die Meisterung von Herausforderungen geht sowie eine Stärkung der Bildungslandschaft – insbesondere im Bereich Marketing. Auch die Förderung von Events ist hier ein politisch zu unterstützendes Thema. Von den Bildungseinreichungen wünscht man sich eine größere Vernetzung untereinander, eine bessere Kommunikation des eigenen Studienangebotes und Renommee. Hier wäre die Unterstützung des Stadtmarketings wünschenswert. Von den Bildungseinrichtungen und den Unternehmen wünscht man sich zudem einen Ausbau des gegenseitigen Wissenstransfers. Von den Verbänden wünscht man sich einen Ausbau der Eventszene, z.B. mit Blick auf Vortragsreihen, Festivals und Tagungen.
Unsere klare Empfehlung lautet: Investition in eine innovative Marketingkultur und Marketingszene, um nicht zu der „Stadt der verpassten Gelegenheiten“ zu werden. Hierfür muss die Stadt Hamburg sich über ihre bisherigen Assets als Hafenstadt und die Stadt der Musicals hinaus entwickeln!