Das Lehren. Ich habe schon immer gerne Wissen geteilt und Anderen Neues beigebracht. In meinem Job als Datenbank-Administrator, der mir sehr viel Spaß gemacht hat, fehlte mir aber dieser Aspekt. Zunächst fing ich an, kleine firmeninterne Schulungen zu organisieren und den anderen Mitarbeitern verschiedene – nicht nur Datenbanken-bezogene – Themen näherzubringen, aber es fehlte die Zeit. Teilweise mir, um solche Schulungen fundiert vorzubereiten, teilweise den Kollegen, an diesen Schulungen teilzunehmen. Zwischen Deadlines ist es eben schwierig, auch für solche Themen Zeit abzuzwacken.
Als ich dann von einem meiner früheren Professoren an der Uni Frankfurt/M. angesprochen wurde, dass er demnächst eine Doktorandenstelle zu vergeben hätte, und ob mich das Thema interessieren würde, habe ich lange überlegen müssen. Der aktuelle Job gefiel mir sehr gut, das Gehalt war deutlich besser als was die Uni zahlen würde, und mit den Kollegen kam ich auch super klar. Schließlich habe ich mich dann aber doch für das Lehren entschieden, denn ich wusste, dass ich diesen Schritt zehn Jahre später nicht mehr wagen würde.
Warum haben Sie sich für einen Schwerpunkt in Technischer Informatik entschieden?
Das hatte mit dem besagten Angebot zur Promotion zu tun. Das Thema lag im Bereich der technischen Informatik, genauer: Im Bereich der automatischen Parallelisierung und parallelen Ausführung von Programmen. Hier habe ich viel über Rechnerarchitekturen, Prozessoren, Softwareentwicklung und Betriebssysteme gelernt, was weit über mein Wissen aus dem Studium hinausging. Inhaltlich hat mich das sehr interessiert, und ich habe auch schnell eine Arbeitsgruppe aufgebaut, in der ein Dutzend Masterstudenten (damals noch Diplomanden) und drei weitere Doktoranden die Wissenschaft in diesem Bereich voranbrachten.
Nach meiner Promotion bin ich dann zwar zu einem anderen Themenfeld gewechselt, aber der Technischen Informatik treu geblieben: Durch Funksignale verbundene Eingebettete Systeme und Wireless Sensor Networks. Durchgeführt habe ich diese Forschung an der TU Wien in der Fakultät Elektrotechnik, also auch weg von der Informatik – wobei die Computertechnik als Teil der Elektrotechnik und die Technische Informatik als Teil der Informatik sich ziemlich gut ergänzen. Aber die Perspektive ist anders: Die Elektrotechniker kommen von der Hardware, die Informatiker von der Software. Seither bin ich an der Entwicklung von Systemen für die Gebäudeautomation in öffentlichen Gebäuden und auch in Privathaushalten beteiligt. Die Entscheidung für die Technische Informatik habe ich nie bereut.
Was macht eigentlich ein Technischer Informatiker? Wie meistern Sie die Herausforderung, Studierenden und fachfremden Personen komplexe und abstrakte Inhalte anschaulich zu erklären und anschaulich zu machen, was Ihren Beruf auszeichnet?
Ein technischer Informatiker arbeitet im Überlappungsbereich von Software und Hardware. Typische Fragestellungen sind beispielsweise, wie man durch veränderte Prozessorarchitektur bestimmte Softwareteile beschleunigen kann oder wie man den Energieverbrauch der Hardware deutlich verringern kann, ohne dass die Software deswegen merklich langsamer verarbeitet wird. Das kann bedeuten, dass er sich mit der Entwicklung neuer Prozessortypen beschäftigt, mit der Optimierung von Betriebssystemen, oder auch mit der Erstellung von Laufzeitbibliotheken für die Programmierung, die besonders auf die Ziel-Hardware optimiert sind und deswegen die Ausführung beschleunigen wird. Oder es werden Aspekte wie Energieverbrauch (z.B. für tragbare Geräte wie Mobiltelefone und Laptops wichtig), Robustheit (z.B. für Flugzeuge, Satelliten, Mars-Rover wichtig), Echtzeitfähigkeit (z.B. für selbstfahrende Autos, Robotik, Computerspiele wichtig) oder auch physische Größe (z.B. für Hörgeräte, SmartCards, Augmented Reality wichtig) betrachtet. Die Technische Informatik ist sehr vielseitig und dadurch spannend.
Um diese Themen leicht zu erklären, setze ich vor allem auf Beispiele aus der Praxis. So ist es zum Beispiel für die meisten Studierenden spannend zu lernen, wie einfach eigentlich eine Ampel an der Kreuzung, eine Aufzugsteuerung oder ein Getränkeautomat aufgebaut sind, und wie schnell sie selbst mit nur wenigen elektronischen Bauteilen eine solche Steuerung aufbauen können.
Ich sehe mich weniger als den Lehrer, der frontal vor den Studierenden steht und ihnen sein Wissen vermittelt, sondern eher als einen Leiter, der sie durch das Stoffgebiet führt und es mit ihnen durchwandert.
„Technische Informatik“. Das klingt erst einmal nach Hochschulsprech. Für wen eignet sich aus Ihrer Sicht ein Studium der Technischen Informatik und welche Berufsbilder kommen nach erfolgreichem Abschluss infrage?
Die Technische Informatik ist glaube ich der ideale Weg für alle, die gerne mit Elektronik basteln oder Microcontroller programmieren. Wenn man Spaß daran hat, auf einem Arduino die Modelleisenbahn zu steuern, mit einzeln dynamisch steuerbaren Lichtquellen Stimmungen im Zimmer zu erzeugen oder mit einem Raspberry Pi eine Gegensprechanlage mit Bild zu bauen, ist man hier richtig aufgehoben.
Im Gegensatz zum Angewandten Informatiker, der vor allem Software schreibt, dem Wirtschaftsinformatiker, der eher die Prozesse optimiert, und dem Wirtschaftsingenieur, der eher Maschinen baut, ist der Technische Informatiker derjenige, der sich mit der Hardware und der Software auskennt. Er entwickelt neue Geräte, neue Prozessoren, neue Kommunikationssysteme und auch die Software oder Firmware und die Betriebssysteme, die auf diesen Geräten laufen.
Als fertiger Technischer Informatiker kann man in sehr vielen verschiedenen Bereichen tätig werden: In Firmen große vernetzte Systeme aufbauen und steuern, Fertigungsroboter und Produktionsstraßen im Umfeld der Industrie 4.0 verbessern, Eingebettete Systeme wie die Steuerelektronik für Waschmaschinen oder Smartphones entwickeln, das Internet of Things in Fabriken etablieren, Sensorsysteme für selbstfahrende Autos gestalten, neue analogelektronische Bausteine als Basis kommender Prozessorgenerationen entwerfen, um nur einige zu nennen.
Der Studiengang Technische Informatik/IT Engineering bildet eine Schnittstelle zwischen Angewandter Informatik, Ingenieurswesen und Wirtschaftsinformatik. Wie erklären Sie unseren Partnerunternehmen die Vorteile des Studiengangs?
Ein Absolvent der Technischen Informatik kann Probleme strukturiert angehen sowie komplexe IT entwerfen, verwalten, optimieren und verwenden. Er ist vielseitig einsetzbar und entwickelt nachhaltige Lösungen für neue Infrastrukturen in z.B. Gebäuden, Autos, Flugzeugen.
Gibt es Bereiche und Branchen, in denen Technische Informatiker derzeit händeringend gesucht werden? Falls ja, warum ist das Profil so gefragt oder offene Stellen nur schwer zu besetzen?
Wir haben im gesamten Bereich der IT ohnehin einen Fachkräftemangel, nicht nur in der Technischen Informatik. Das Problem geht schon in der Schule los, dort sollte deutlich mehr Interesse an jeder Art von Technik gefördert werden. Dazu kommt, dass gerade ein großer Bereich, in dem der Technische Informatiker heute gebraucht wird, immer weniger von der allgemeinen Bevölkerung wahrgenommen wird: Er befasst sich ja letztlich mit Computern, die nicht mehr aussehen wie Computer und damit quasi unsichtbar werden. Das sind sowohl Steuerchips in Haushaltsgeräten und Autos als auch Weiterentwicklungen der Kommunikationssysteme wie Glasfaserverbindungen oder 5G. Hier werden natürlich Experten gesucht, die diese technischen Entwicklungsschritte möglich machen und die nächsten konzipieren. Daher werden in der Tat gerade Technische Informatiker händeringend gesucht, und zwar branchenübergreifend.
Wie bleiben Sie auf dem Laufenden und bilden sich weiter? (z.B. Konferenzen, Medien, Arbeitskreise, Mitgliedschaften?)
Natürlich ist es wichtig für jeden Wissenschaftler, regelmäßig neue Entwicklungen zu verfolgen, um nicht abgehängt zu werden. Das geht sowohl über das Lesen von Artikeln in wissenschaftlichen Journalen und Blogs, aber vor allem auch über Tagungen und Konferenzen. Bei solchen Tagungen trifft man andere Wissenschaftler und kommt ihnen auch persönlich näher. Meiner Ansicht nach ist ein ganz wichtiger Aspekt, der momentan durch die Corona-bedingten Online-Tagungen viel zu kurz kommt, der private Kontakt in den Kaffeepausen zwischen den Vorträgen und auch beim üblichen Konferenzdinner. Das sind die Momente, wo man auch Themen jenseits der Wissenschaft anspricht, Kontakte knüpft, Freundschaften aufbaut. Dieses Netzwerk ist extrem nützlich für die weitere Forschung – es ergeben sich Kollaborationen, gemeinsame Publikationen und Projekte, und man freut sich immer darauf, sich bei Tagungen irgendwo auf der Welt wieder einmal zu treffen und Neuigkeiten auszutauschen – professionell wie privat.
Ich bin sehr aktiv in der IEEE, das ist die internationale Vereinigung der Experten aus den technischen Disziplinen wie Informatik, Elektrotechnik, Maschinenbau. Dort habe ich schon einige Posten gehabt, gegenwärtig bin ich der Vorsitzende der deutschen Sektion und auch Vorsitzender des technischen Komitees für Gebäudeautomation. Durch IEEE habe ich sehr viele Kontakte zu Wissenschaftlern sowohl aus Hochschulen als auch aus der Industrie, die z.B. aus den USA, Japan, Korea, Südafrika, Indien, und natürlich ganz Europa kommen.
Ähnlich bin ich bei der GI, der Gesellschaft für Informatik, aktiv. Das ist die Vereinigung der deutschen Informatiker. So bin ich in Kontakt zu sehr vielen deutschen und deutschsprachigen Kollegen. Dort habe ich beispielsweise fast alle meine ehemaligen Professoren wiedergetroffen, und auch viele Wissenschaftler, nach deren Büchern ich im Studium gelernt habe. Die GI ist anhand der verschiedenen Aspekte der Informatik strukturiert, und die Technische Informatik ist eine wichtige Säule dabei.
Welchen Rat würden Sie Studierenden mit auf dem Weg geben, die sich aktuell fragen, welche Ausrichtung in der Informatik die richtige für sie ist?
Überlegen Sie, welche Bereiche der Informatik Sie persönlich spannend finden. Es geht nicht darum, wo Sie vielleicht in der Schule gut waren, sondern darum, was Sie „juckt“, wo Sie auch mal nachts ein Sachbuch weiterlesen, weil das Thema Sie fesselt. Die Informatik hat so viele Facetten und Einsatzgebiete, dass sich sicherlich ein Bereich findet, in dem Sie sich verwirklichen können.
Was macht Sie zum Problemlöser?
Beharrlichkeit, Inspiration, Zusammenarbeit und Kontakt zu anderen Disziplinen. Es gibt sehr oft Lösungsansätze aus anderen Bereichen der Informatik, die sich auf die Informatik übertragen lassen (das gilt natürlich auch umgekehrt).
Warum haben Sie sich gerade für eine Professur an der NORDAKADEMIE entschieden?
An der NORDAKADEMIE liegt der Schwerpunkt auf der Lehre, meiner persönlichen Passion. Dabei wird aber trotzdem Forschung gemacht, werden wissenschaftliche Projekte durchgeführt, wird international kollaboriert. Diese Mischung hat mich sehr angesprochen und zu diesem Schritt bewogen.